Fair Arbeiten und Zusammenleben in OWL
– Ausbeutung in der Logistik bis zur letzten Meile? Black Friday, 24.11.2023
Am Freitag, den 24.11.2024 wurde in einer Fachveranstaltung mit internationaler Beteiligung Strukturen und Arbeitsbedingungen in der Logistikbranche ausgeleuchtet. Der Veranstaltungstermin fällt auf den „Black Friday“, den jährlichen Höhepunkt der Onlinebestell- bzw. Versandaktivitäten im Handel. Dieser Tag ist gleichzeitig der Gipfel der Belastung für die Beschäftigten, die schon im Alltag ausgesprochen hoch ist.
Unter dem Dach der Initiative für Beschäftigung OWL haben sich der Caritasverband im Kreis Gütersloh, der DGB Ostwestfalen-Lippe, die Diakonie im Kreis Herford sowie die Netzwerk Lippe gGmbH zu einem regionalen Netzwerk „FAIR ARBEITEN UND ZUSAMMENLEBEN IN OSTWESTFALEN-LIPPE“ zusammengeschlossen. Das gemeinsame Ziel ist es, das Thema europäische Migration in der Region Ostwestfalen-Lippe auszuleuchten und sich gegen Arbeitsausbeutung und Prekarisierung einzusetzen. Die positive Resonanz auf unsere Fachveranstaltung im September 2022 hat die Beteiligten dazu motiviert, eine weitere Veranstaltung mit Fokus auf Logistik anzuschließen – eine Branche, in der sehr viele Migrant:innen beschäftigt sind.
Jan Cremers von der Tilburg Law School in den Niederlanden hat den Einführungsvortrag gehalten Er ist ein ausgewiesener Experte des europäischen Arbeitsmarktes, war Europaparlamentarier für die niederländische Partij van de Arbeid und Vorsitzender des Europäischen Bau- und Holzarbeiterverbands. Praxisbeispiele und Kommentare wurden in einer Expert:innenrunde aus der Perspektive der Beschäftigten in der Logistik, u.a. aus Distributionszentren eingebracht, von der „letzten Meile“ der Paketauslieferung und von Horst Kottmeyer, einem regionalen Spediteur und Aufsichtsrat des Bundesverbands Güterverkehr, Logistik und Entsorgung.
Der Logistikarbeitsmarkt in Europa ist kaum reguliert, bietet keinen oder wenig Schutz gerade für die migrantischen Beschäftigten. Das Themenspektrum reicht von der Akquise von Billigstarbeitskräften, auch aus Drittländern, Subunternehmerstrukturen, Formen der Scheinselbständigkeit, Lohnbetrug, fehlenden Kontrollen bis zu mangelhaften Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung und anderen Problemfeldern. Mehrere Workshops dienten dem vertieften Austausch und der Entwicklung von Gegenstrategien.
Die Bundesratsinitiative zum Verbot von Werkverträgen in der Paketbranche werten wir als ein positives Signal. Ziel der Veranstaltung war es, mit der Politik über die Missstände in diesem Bereich des Arbeitsmarkts ins Gespräch zu kommen. In einer Abschlussrunde wurden Handlungsmöglichkeiten der Politik mit den Landtagsabgeordneten Tom Brüntrup (CDU) und Thorsten Klute (SPD) diskutiert. Inmitten einer Debatte über Migration, in der Ängste und Abwehrreflexe die eigentliche Sachdiskussion überlagern, will diese Veranstaltung einen Kontrapunkt setzen.
Das Netzwerk FAIR ARBEITEN UND ZUSAMMENLEBEN IN OSTWESTFALEN-LIPPE strebt mit derVeranstaltung an, einen fachlichen und sachlichen Beitrag zur Migrationsdebatte zu leisten und den Fokus auf die Arbeits- und Lebenssituation von Migrantinnen und Migranten zu richten. Wir wenden uns dagegen, dass Menschen in extreme Ausbeutung und das gesellschaftliche Abseits abgedrängt werden. Gerade angesichts des bereits existierenden Fachkräftemangels wäre es fatal, prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen zu vernachlässigen. Das Netzwerk setzt sich dafür ein, die Würde aller Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, in den Mittelpunkt zu stellen und zu gewährleisten, dass diese Würde respektiert wird.
Auf europäischer Ebene wird in der Sozialcharta der Anspruch auf faire Arbeitsbedingungen und die Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten überall in Europa gefordert. Dieser Anspruch steht jedoch noch weit von der Realität entfernt, insbesondere in der Logistikbranche, wo erheblicher Handlungsbedarf besteht – sei es hinter dem Werkstor von Logistikzentren, in der Auslieferung auf der letzten Meile oder im internationalen Güterverkehr.